17.05.2025
von Superintendentin Hiltrud Anacker
Liebe Leser und Leserinnen!
„Ich könnte ein Lied davon singen …“
Sie kennen den Ausdruck bestimmt. Sie verwenden ihn vielleicht, wenn Sie eine Erfahrung immer und immer wieder machen. „Ich könnte ein Lied singen …“ von dem, was ich schon 100x gesagt oder getan habe, von dem ich eigentlich keine Lust mehr habe, es sagen oder tun zu müssen.
Ich möchte nicht nur ein sondern viele Lieder singen, denn singen ist schön. Davon bin ich überzeugt. Vielleicht meinen Sie, sie könnten es nicht. Dann erwidere ich: "Nicht jeder Mensch muss auf der Bühne stehen, aber singen kann er dennoch." Es gibt gute Gründe zum Singen. Achten Sie auf das Schöne an jedem Tag: Die aufbrechende Natur, angenehme Temperaturen nach dem Winter, eine freundliche Begegnung, gute Nachrichten, … Manchmal klingen unsere „Lieder“ genervt oder zornig. Andere haben einen sehnsuchtsvollen Klang. Und hoffentlich ist auch immer wieder eine fröhliche Melodie dabei.
Zum Sonntag Kantate gehört ein Satz aus Psalm 98:„Singt dem Herrn ein neues Lied.“ Wovon könnten wir Gott ein Lied singen? Wir können ihm in den Ohren liegen mit unseren Problemen. Gott will sogar, dass wir unsere Sorgen mit ihm besprechen. Er hört sie sich mit viel Geduld an. In einer Erzählung im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte, geht es noch anders: Paulus und Silas sitzen im Gefängnis, weil sie einen Glauben verkündigen, der keine Angst machen, sondern ermutigen will, und sie singen.
Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. (Apostelgeschichte 16,23-26)
Die beiden hätten allen Grund zum Klagen. Sie haben aber eine Begabung, um die ich sie ein bisschen beneide: Sie haben Augen für die Gegenwart Gottes. Sie hätten sehr wohl ein Lied singen können von Verfolgung und Anfeindung, aber sie singen ihr neues Lied, und das ist eigentlich ein ganz altes, ein Lied vom Vertrauen zu Gott, mitten in ihren Schmerzen, mitten in einer Situation, von der sie nicht wussten, wie sie ausgehen würde. Die Gegenwart Gottes gab ihnen Kraft.
Was der Gefängnisaufseher miterlebt, verändert ihn gewaltig. Zunächst behandelt er die beiden roh, ohne Mitleid. Dann aber wird alles anders. Er erschrickt, sieht die offenen Türen und will sich selbst etwas antun. Er hat Angst, zur Verantwortung gezogen zu werden.
Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? … Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war. (Apostelgeschichte 16,28-34)
So "singt" der Aufseher ein ganz neues Lied von seinem neuen Leben mit Gott.
Haben solche alten Geschichten etwas mit uns zu tun? Gott sei Dank leben wir nicht in ständiger Bedrohung. Gott sei Dank haben wir nicht mit Gerichten zu tun, die aufgrund haltloser Anklagen so harte Urteile sprechen. Das Leben des Paulus war ein anderes als unseres heute. Können wir ein Lied von der Gegenwart singen? Der Bericht von Paulus und Silas im Gefängnis ermuntert, die Augen öffnen für die Gegenwart Gottes. Das ist nicht einfach, wenn man manchmal nicht mehr ein noch aus weiß. Der Kerkermeister wird mir in seiner Angst richtig sympathisch. In ihm erkenne ich eher mein Verhaltensmuster. Am liebsten sich der Situation entziehen, wenn ich eh nichts mehr tun kann. Manchmal gelingt es ohne fremde Hilfe, die Gegenwart Gottes zu erkennen, z.B. in der Musik oder in anderen Begabungen, die Gott zur Bewältigung so mancher Aufgabe geschenkt hat. Manchmal schickt Gott auch Menschen vorbei, die die Augen öffnen. Dann möchte ich ein neues altes Lied singen vom Vertrauen zu Gott.
Amen.
Gebet
In die Hände klatschen, jubeln, singen, fröhlich sein –
Wenn nur das Herz nicht so schwer wäre.
Unser Mut so klein.
Unsere Hoffnung so schwach.
Denkst du wirklich an uns, Gott?
An unsere Welt?
Wir sind hier, Gott, weil wir auf Wunder hoffen:
Dass du für Gerechtigkeit sorgst und für Frieden.
Dass du Herzen weit macht und Mut hineinsäst.
Dass Liebe sich ausbreitet und Freude und Jubel und Jauchzen.
Das erbitten wir von dir, Gott.
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir, jetzt und alle Zeit. Amen.
Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin
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