Andacht zum 2. Sonntag nach Epiphanias, 19. Januar 2025

Predigtarchiv

Andacht zum 2. Sonntag nach Epiphanias, 19. Januar 2025

18.01.2025

von Superintendentin Hiltrud Anacker

Bibeltext: Römer 12, 12

Paulus schreibt an die christliche Gemeinde in Rom:
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.

angedacht: "Künstler des Herzens"

Liebe Leserinnen und Leser!

Joseph Beuys hat einmal gesagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Das sagt noch gar nichts über Qualität aus. Er meint: „Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt.“ Als hätten beide Künstler sich abgesprochen zeichnete der französische Karikaturist Jean-Jacques Sempé ein Bild, das ich vor Jahren entdeckte: Eine Frau steht mitten auf einer Theaterbühne. Meistens säubert sie diese nur. Sie trägt eine Schürze und ein Kopftuch. Ihr Handwerkszeug hat sie dabei, nämlich Schaufel, Besen und Eimer. Sie steht dort, wo sonst Künstler aller Art Menschen erfreuen und zum Nachdenken anregen. Ich stelle mir vor, wie sie sich zunächst vorsichtig umschaut. Wunderbar, es ist wirklich niemand da. Sie hat die Bühne ganz für sich allein. „Kunst: Das kann ich auch!“ Jeder Mensch ist eben ein Künstler oder eine Künstlerin. Die Frau nutzt einen ruhigen Augenblick auf der leeren Bühne. Vor den leeren Stühlen im Zuschauerraum stellt sie sich aufrecht hin, nimmt den Besen hoch, balanciert ihn auf einem Finger. Und siehe da: Es gelingt. Sie kann es. Der Haken an der Sache, niemand ist da, der jetzt applaudiert. Aber vielleicht will sie das auch gar nicht. Erst einmal will sie nur sich selbst etwas beweisen. Was die anderen können, kann ich auch. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ - vielleicht kein großer, aber doch Künstler.

Das würde auch Paulus sagen: „Jeder Mensch ist Künstler oder Künstlerin des Herzens." Das traut Paulus uns Menschen zu. „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.“ Was kann tragen im Leben, wenn man fröhlich ist oder traurig? Das ist die Kunst des Lebens. Wir alle brauchen als "Lebensmittel" Hoffnung, Beharrlichkeit (also Geduld und Durchhaltevermögen, die Fähigkeit dranzubleiben). Paulus ist der Meinung, das kann gelingen in Verbindung mit Gott. „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.“ schreibt er an dieser Stelle seines Briefes an die Christen in Rom auch. Und: „Eure Liebe sei ohne Falsch.“ Damit zählt er die Kunstfertigkeiten des Herzens auf. „Das alles könnt ihr, ihr müsst es nur wollen.“ Also: Einmal umschauen und den Balanceakt probieren. Und warum können wir das? Weil wir bei alle dem Gott auf unserer Seite haben. Eine Einschränkung macht Paulus und ist dabei sehr ehrlich. „Ist's möglich, so viel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden!“ Mit dem Frieden ist das so eine Sache, wenn andere nicht wollen oder im Bild gesprochen den fein balancierten Besen umstoßen. Dann hat alle Kunst ihre Grenze. Es könnte sein, es gibt doch Zuschauer und diese lachen. Sie wissen die Kunst nicht zu würdigen. Dann erscheint alle Kunst des Herzens vergeblich. Liebe ist schön, aber sie muss auch angenommen werden. Was von Herzen kommt, muss auch Herzen erreichen. Wer aber sein Herz dem Herzlichen verschlossen hat, den erreicht die Liebe nicht. Dann ist alles umsonst - fast alles.

Eines bleibt: Die Frau auf der Bühne steht völlig allein da mit ihrer Kunst. Sie genügt sich selbst, eine Weile jedenfalls. Sie übt ganz für sich allein. Wer weiß, vielleicht kommt ihre Kunstfertigkeit doch irgendwann an. Die Kunst des Herzens wird nicht immer nur um der anderen willen geübt. Zunächst gilt es, das eigene Herz zu schulen, selbst Mensch zu werden, weil die Hoffnung besteht, Gott zur Seite zu haben. Das macht etwas mit dem eigenen Herzen. Um mit unterschiedlichen Situationen des Lebens fertig zu werden, kann man die Beharrlichkeit des Betens lernen. Geduld hilft auf lange Sicht mehr als manchmal vorschnelles Handeln. Die Kunst des Herzens ist Bildungsarbeit. Es lohnt sich, Liebe auch dann zu üben, wenn sie sinnlos scheint oder wenn sie nicht angenommen, vielleicht noch nicht einmal bemerkt wird. Die Kunst der Liebe ist um ihrer selbst willen da. Sie ist nicht von Erfolg abhängig. Sie braucht keine Zuschauer. Sie braucht nur jemanden, der sich sagt: "Mit Gottes Hilfe kann ich das auch." Liebe ist Gott selbst in dieser Welt.
Amen.

Gebet

Barmherziger Gott,
deine Liebe ist die Kraft, die verwandeln kann.
Lass uns erfahren, dass du neue Freude wachsen lässt aus der Trauer,
Frieden schaffst im Streit, Vergebung in der Schuld,
Vertrauen in der Hoffnungslosigkeit.
Schenke uns Zuversicht, dass unser Leben gelingt.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Es segne und behüte Dich der barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin

alle Predigten


Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

Felder mit Stern (*) müssen ausgefüllt werden.

nach oben