10.08.2024
von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand
Liebe Leser und Leserinnen!
Kennen Sie Geschichten der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren? – Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter, Michel aus Lönneberga oder Brüder Löwenherz sind nur einige dieser Erzählungen. Als Kind habe ich diese Geschichten geliebt, heute lese ich sie meinen begeisterten Kindern vor. Ich bin immer noch beeindruckt von ihrer Bodenständigkeit vor dem Hintergrund des Schwedischen Landlebens in Lindgrens Kindheit. Gleichzeitig dringen sie aber auch in die Tiefen der menschlichen Gefühle vor. Sie zeigen dadurch, warum wir als Menschen so handeln wie wir handeln – oft auch in ihrer Widersprüchlichkeit.
Dieses Jahr wollte ich auf unserem Schwedenurlaub das Geburtshaus Astrid Lindgrens in der Kleinstadt Vimmerby besuchen. Dort gibt es heute ein großartiges Museum und einen fantastischen Freizeitpark, in denen sich alles um die Geschichten von Astrid Lindgren dreht: es werden im Stundentakt verschiedene Geschichten an verschiedenen Orten als Kurztheaterstücke aufgeführt.
Eine davon war die Geschichte der Brüder Löwenherz. Da sind zwei Brüder. Der neunjährige Karl, „Krümel“, liegt schwer lungenkrank im Bett und weiß, dass er bald sterben wird. Sein 13-jähriger Bruder Jonathan ist klug, mutig, fröhlich und überall beliebt. Jonathan erzählt seinem geliebten kleinen „Krümel“ vom Leben nach dem Tod, einem Land mit dem Namen Nangijala – ein Bild für das Leben im Jenseits. Da werde er völlig gesund sein und den ganzen Tag Abenteuer erleben.
Bei einem Hausbrand und einer missglückten Rettungsaktion kommt Jonathan jedoch selber ums Leben. Durch die tödliche Krankheit Karl folgt ihm kurz darauf.
Und nun finden sich beide Jungs in einem neuen Leben wieder: ein Tal voller blühender Kirschbäume. Dort erleben sie viele Abenteuer.
Für mich ist dieses Bild des Kirschblütentals eines der anrührendsten Bilder für das ewige Leben. Das was, Karl und Jonathan im Leben auf der Welt verwahrt blieb, dürfen sie dort in Nangijala erleben. Wer die Geschichte kennt, weiß, dass es im Lauf der Geschichte dann gar nicht so paradiesisch bleiben wird – was für mich aber am grundlegenden Bild keinen Abbruch tut.
Wie stellen Sie sich das Leben nach dem Tod vor? Für Astrid Lindgren war es wohl ein blühender Obstgarten voller Kirschblüten und Abenteuer.)
Amen.
Ein Gedicht: Kirschblüte bei der Nacht von Barthold Heinrich Brockes
Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
In kühler Nacht beim Mondenschein;
ich glaubt′ , es könne nichts von größerer Weiße sein.
Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der kleinste Ast
trug gleichsam eine rechte Last
von zierlich-weißen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
indem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blätter bricht,
sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
was Weißers ausgefunden werden.
Indem ich nun bald hin, bald her
im Schatten dieses Baumes gehe,
sah ich von ungefähr
durch alle Blumen in die Höhe
und ward noch einen weißern Schein,
der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
von einem hellen Stern ein weißes Licht,
das mir recht in die Seele strahlte.
Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergötze,
dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
Die größte Schönheit dieser Erden
kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.
Gott segne Sie!
Herzlich grüßt Sie
Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand
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