07.09.2024
von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand
Liebe Leser und Leserinnen!
Bei einer Predigtvorbereitung bin ich neulich an einem eigenartig-weisheitlichen Satz von Jesus hängen geblieben. Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. (Mt 10, 16). Er hat mich zum Nachdenken gebracht. Mit diesem Wort entsendet Jesus seine Jünger in die Welt und will sie damit vor Glaubensanfeindungen von den Leuten und vor Gericht schützen.
Mit Schlangen oder Tauben verbindet man erst einmal nichts Besonderes oder gar Gutes. Tauben gehören zum Bild unserer Städte und Orte – häufig eher als Plage, denn als Segen. Für Viele sind Schlangen eher etwas Abstoßendes oder Ekliges.
Und trotzdem: immer wenn ich in der Natur einer Schlange begegnet bin – so zuletzt in meinem Urlaub in Schweden – war ich doch irgendwie innerlich bewegt und fasziniert. Sie liegt still in der Sonne da und plötzlich schlängelt sie sich mit irre hohem Tempo davon. In der Antike wurden ihnen im Äskulap-Kult Heilkräfte zugesprochen. Auch Tauben können faszinieren. Z.B. als ich bei der Hochzeit eines Freundes aus dem Kirchgebäude hinausgetreten bin wurde ein Schwarm weißer Tauben aus einem Käfig in die Freiheit entlassen. Was für eine fantastische Szene!
Wenn man diesen veränderten Blickwinkel einnimmt, kann man vielleicht verstehen, warum Jesus seinen Jüngern empfiehlt, die Charaktereigenschaften dieser beiden Tiere anzunehmen. Schlangen galten als klug und listig, Tauben als unschuldig und friedlich.
Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. (Mt 10, 16)
Schlangenklugkeit und Taubeneinfalt scheinen im ersten Moment gegensätzlich zu sein. Klugheit kommt aus einem inneren Abwägen. Sie ist etwas Aktives. Wer hingegen einfältig ist, der ist zurückhaltend, lässt die Dinge auf sich wirken. Einfalt ist etwas Passives.
Ich denke, dass Jesus dieses Wort ganz bewusst deutungsoffen gehalten hat. Er will damit sagen: Vertraut auf Gott, vertraut eurer Berufung. Bleibt aber zugleich menschlich und wägt sensibel eure Beziehungen mit euren Mitmenschen ab. Seid klug wo möglich und zurückhaltend wo nötig.
Amen.
Ein Gebet des Theologen Reinhold Niebuhr
Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
Und Weisheit, um den Unterschied zwischen beidem zu erkennen.
Einen Tag nach dem anderen zu leben,
Einen Moment nach dem anderen zu genießen,
Beschwernis als einen Weg zum Frieden zu akzeptieren,
Diese sündige Welt, wie Jesus es tat,
So anzunehmen, wie sie ist,
Nicht so, wie ich sie gern hätte,
Darauf zu vertrauen, dass Du alles richtig machen wirst,
Wenn ich mich Deinem Willen hingebe,
Auf dass ich recht glücklich sein möge in diesem Leben
Und überglücklich mit Dir auf ewig im nächsten.
Amen.
Segen
Es segne und behüte euch der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
Herzlich grüßt Sie
Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand
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