Andacht zum Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, 10. November 2024

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Andacht zum Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, 10. November 2024

09.11.2024

von Superintendentin Hiltrud Anacker

Liebe Leser und Leserinnen!

"Erzähl mir vom Frieden"

Mit dem 10. November beginnt dieses Jahr die Friedensdekade. Diese zehn Tage ermutigen besonders, über "Frieden" nachzudenken und eben auch zu erzählen. Was hätten Sie zu erzählen?
Wenn Sie in den 1930er Jahren geboren wurden, erinnern Sie sich vielleicht noch an die Kriegsjahre. Sie können aber auch erzählen, wie es Ihnen ergangen ist nach dem 8. Mai 1945. Was bedeutet Frieden für Sie? Meine Mutter sagte immer: "Das darf nie mehr geschehen." Und sie erzählte vom Keller, in dem meine Oma ihre drei Kinder um sich scharte. "Wenn es uns trifft, …" so seien ihre Worte damals 1945 gewesen. Und dann sagte meine Mutter oft: "Ich bin so dankbar, dass meine Kinder keinen Krieg erlebt haben."
Ich selbst erinnere mich an den Herbst 1989. Ich studierte in Jena Theologie. Im Fenster der WG, in der ich wohnte, hing ein Plakat, das zum Friedensgebet einlud. Ein Mensch von der Staatssicherheit hatte gedroht: "Das muss weg!" Das Lesen von Berichten aus Berlin, die Menschen zu Wort kommen ließen, die von den Sicherheitsbehörden "zugeführt" worden waren, wie die Festnahmen bezeichnet wurden, haben meine Ängste nicht verringert. Wie dankbar bin ich in der Rückschau, dass kein Schuss gefallen ist.
Ich könnte auch von Begegnungen erzählen, in denen fremde Menschen vollkommen unerwartet aggressiv auf andere einreden oder gar schlagen. Wenn ich mich über etwas oder jemanden ärgere, möchte ich auch manchmal heftig werden. Ich glaube aber, dass es dem Frieden zuträglicher ist, immer und immer wieder das Gespräch zu suchen. Kompromisse zu finden, ist nicht einfach, aber dem Frieden zuträglich.
"Erzähl mir vom Frieden" bedeutet noch mehr. Vielleicht fallen Ihnen wunderbare Momente ein, in dem Sie im Frieden mit den Menschen um sich und mit sich selbst waren: Ein kurzes freundliches Wort mitten im Alltag, das Lächeln eines Menschen, von dem Sie es nicht erwartet hätten, …

Im Buch des Propheten Micha steht eine tolle Vision:

3Er (Gott) schlichtet Streit zwischen vielen Völkern.
Er sorgt für das Recht unter mächtigen Staaten, bis hin in die fernsten Länder.
Dann werden sie Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter.
Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen.
Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet.
Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet.
4Jeder wird unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum.
Niemand wird ihren Frieden stören. Denn der Herr Zebaot hat es so bestimmt.

Der Prophet lebte in der Regierungszeit der Könige Ahas und Hiskia (8. Jh.v.Chr.). Diese Zeit war geprägt von den Auseinandersetzung mit den Assyrern. Der Süden des Reiches Israel paktierte mal so, mal so. König Hiskia verlor gegen die Assyrer. So wurden hohe Tributzahlungen fällig. Dem Norden des Reiches erging es noch schlimmer es fiel den Assyrern 722/721 v. Chr. zum Opfer. Micha selbst stammte vermutlich aus Kreisen der unterdrückten Klein-bauern und Viehzüchter. Noch vor unserer Friedensvision hagelt es heftige Kritik an der Bestechlichkeit der Priester und Propheten in Jerusalem. Dann aber kommt das Kontrastprogramm der Friedensvision: „Schwerter zu Pflugscharen“. Die Skulptur von Jewgeni Wutschetitsch wurde zum Symbol ost- und westdeutscher Friedensinitiativen. Heute gehört es nach wie vor zur Friedensdekade. Manche Theologen sind der Meinung, die Vision stamme gar nicht von Micha, sondern ist später eingefügt worden. Auch da gab es schwierige Situationen und das Bedürfnis nach Trost durch eine positive Sichtweise. Das kann ich mir gut vorstellen. Die Sehnsucht nach Frieden ist so alt wie die Menschheit. Sie wird immer Sehnsucht bleiben, weil es den umfassenden Frieden unter uns Menschen nicht gibt. Aber der Himmel Gottes wird sichtbar, wenn aus einer Waffe ein sinnvolles lebensdienliches Werkzeug geschaffen wird, wenn ein Mensch umschaltet und statt des bösen ein freundliches Wort sagt, wenn es gelingt, das Wohl der anderen dem "meinen" gleichzustellen, … Da könnte ich noch lange träumen und erzählen. Sie auch?

Gebet
Um Frieden bitten wir.
In unseren Herzen,
in unserem Handeln,
miteinander, in der Welt.

Wir bitten für alle, die Frieden stiften:
die Beratenden an den Verhandlungstischen der Politik,
Richter und Schöffinnen,
Mediatoren in zerstrittenen Kirchengemeinden,
Gleichstellungsbeauftragte und Mobbingstellen in Behörden und Firmen,
Ombudsmänner und -frauen,
die ihr Ohr den Schwachen und Benachteiligten schenken.
Junge Menschen, die einen Internationalen Friedensdienst leisten.

Wir denken an Menschen um uns,
die wir deinem Frieden anvertrauen.
Gott, lass deinen Frieden wachsen in unseren Herzen,
in unserem Handeln, miteinander, in der Welt.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Segen
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der weiter reicht als jegliche Diplomatie und der stärker ist selbst als Freundschaften, der bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin

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