Andacht zum Sonntag Estomihi, 2. März 2025

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Andacht zum Sonntag Estomihi, 2. März 2025

01.03.2025

von Superintendentin Hiltrud Anacker

Liebe Leserinnen und Leser,

„Ohne meinen Kalender sage ich gar nichts.“ Das sage ich manchmal. Die Planung ist dann schwierig: Hier ein Gespräch, dort eine Vorbereitung, eigentlich müsste ich …,  die Andacht/der Gottesdienst muss vorbereitet und natürlich durchgeführt werden, das Telefon klingelt, irgendwie kriege ich das hin! So einen Zustand bezeichnet man mit „Zeitmangel“. Nicht jeder Tag/jede Woche sieht so voll aus. Das darf, das sollte es auch nicht. „In Gottes Hand steht meine Zeit.“ Zeitmangel gibt es nicht, nur zu viel Termine und eine schlechte Planung. Ich wünsche mir oft ein bisschen mehr Gelassenheit und ein Gespür, was ist jetzt gerade wichtig. Wofür ist „jetzt“ die Zeit?

Diese Frage beantworten Martha und Maria unterschiedlich. Sie sind Schwestern. Sie gehören zum engeren Freundeskreis um Jesus. Der Evangelist Lukas erzählt von ihnen (Lk. 10,38-42). Jesus kommt zu Besuch. Wie selbstverständlich geht Jesus in dieses Haus. Wenn ein Mann zu der damaligen Zeit einen Eklat wollte, tat er genau das: Er besucht Frauen. Martha, die Gastgeberin, ist unverheiratet und selbstbewusst, auf jeden Fall selbstbewusst genug, einen männlichen Gast zu beherbergen. Selbstverständlich kümmert sie sich um Bewirtung. Sie tut es gern - gerade für Jesus. Maria nimmt in der Erzählung die Rolle der Schülerin ein. Sie setzt sich dem Rabbi zu Füßen und hört zu, was er zu sagen hat. Jesus lässt es zu. Was für uns heute hier selbstverständlich ist, ist zur Zeit Jesu – unerhört! Die Rabbinen legten die Thora, die biblischen Schriften, nicht vor Frauen aus. Marta regt sich auf: Sie schuftet, um etwas Leckeres anbieten zu können. Also beschwert sie sich. Jesus aber antwortet: " Martha, Martha, du sorgst für vieles und lässt dich umtreiben, wenig aber ist notwendig, eigentlich nur eines. Maria wählte sich den guten Teil, der ihr nicht weggenommen werden wird."

Im Lauf der Kirchengeschichte wurde diese Erzählung unterschiedlich verstanden. Zum einen: „Jesus findet es wichtiger, ihm zu lauschen, als anzupacken.“ Diese Auslegung könnte vor allem Menschen ärgern, die sich z.B. in der Kirche engagieren. Was wäre die Kirche ohne engagierte Mitglieder? Das wird an anderer Stelle in der Bibel nicht nur gelobt, sondern sogar eingefordert. Ein zweites Verständnis: "Kirche soll die Anbetung fördern und sich aus dem Getriebe der Welt heraushalten." Diese Auslegung spricht sich gegen eine tatkräftige Diakonie aus und gegen eine Kirche, die mutig Position bezieht zu den Ungerechtigkeiten dieser Welt. Der Evangelist Lukas erzählt etwas anderes kurz vor der Geschichte von Maria und Martha. Jesus beantwortet die Frage nach der Nächstenliebe mit dem Gleichnis „Vom barmherzigen Samariter“. Eine dritte Auslegungsvariante: Die Geschichte von Maria und Martha sei eine typische Frauengeschichte. Frauen seien eben manchmal etwas zickig, und das spiegle sich hier wider. Bei dieser Variante könnten die Männer sich bequem zurücklehnen und leicht schmunzelnd denken: „Ja, ja, die Frauen …!“  Aber die Geschichte könnte man gut auch mit Männern besetzen. Sie hätten vielleicht ein bisschen anders formuliert, sich aber genauso aufgeregt. Und wo sonst gibt es in der Bibel Geschichten ausschließlich für Frauen oder ausschließlich für Männer?

Alle drei Auslegungsvarianten haben einen Haken. Beten und arbeiten - beides hat seine Zeit. Diakonie ist die zwingende Folge rechten Hörens. "So aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Die Liebe ist die größte unter ihnen." schreibt Paulus im 1. Korintherbrief. Christen haben eine wichtige Aufgabe: Sie sollen sich um Schwächere kümmern und Ungerechtigkeit beim Namen nennen. Eine Männer-Frauen-Problematik wollte der Autor des Lukasevangeliums auch nicht ansprechen. Er erzählt von zwei mutigen Frauen, die unterschiedlich handeln, mehr nicht.

Was könnte für Sie heute von Bedeutung sein, wenn Sie von Marta und Maria hören? Sie haben sich gerade Zeit für diese Andacht genommen, vielleicht weil Sie für sich einen Impuls aus der Bibel wünschen. Das Gebet könnte Ihnen helfen, Worte zu finden, die Sie Gott sagen möchten. Sie bekommen auch einen Segen zugesprochen. Das alles darf zeigen: Das Hören ist wichtig. Es darf nicht zu kurz kommen. Mit dem Augenmerk auf das, was Gott sagen möchte, relativiert das Hören u.U. unser Handeln. Das Tun ist genauso wichtig, um nicht abzuheben von dieser Welt und dem ganz normalen Alltag. Man sollte sich nur nicht von seinem Kalender treiben lassen. Alles hat seine Zeit, sagt der Prediger im Alten Testament. Im Psalm 31, der zu dieser Woche gehört, heißt es: "Meine Zeit steht in deinen (in Gottes) Händen.

Gebet

Du Gott der Liebe, deine Gerechtigkeit richtet die Gebeugten auf,
deine Nähe vertreibt die Angst, dein Wort heilt.
Wir stehen vor dir: hungernd nach Gerechtigkeit, unverdrossen hoffend, bedürftig.
Wir bitten dich: Erbarme dich.

Du Gott der Liebe, deiner Gerechtigkeit gedenke
und sieh die verhungernden Kinder in Afrika,
die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer,
die Familien, die gewaltsam auseinander gerissen werden.
Wir bitten dich: Erbarme dich.

Du Gott der Liebe, deine Gegenwart versöhne
und überwinde die Hartherzigkeit derer, die Hass verbreiten,
die der Lüge Macht verleihen, die deine Schöpfung verachten.
Wir bitten dich: Erbarme dich.

Du Gott der Liebe, dein Atem heile die Schöpfung
und belebe die Kranken, die vor Trauer Erstarrten die Gedemütigten.
Wir bitten dich: Erbarme dich.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

Segen

Sei gesegnet mit der Liebe Gottes.
Möge Friede dein Herz erfüllen
und Freude deine Tage hell machen.
Gott segne dich. Amen.

Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin

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