29.05.2025
über 1. Könige 8,22-24.26-28 (Lut17); gehalten in der Kirche Rothenfurth von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Stille…
Liebe Gemeinde,
Gruppen von Männern ziehen mit Bierkästen und Bollerwägen über die Fluren… Männer schwingen sich auf ihre Motorräder und kursieren in Bikergruppen übers Land… es ist Männertag. Ja, und es ist kein besonders frommes Treiben… auch wenn die alle im besten Fall eine gute Stimmung haben.
Wir sind aber hier… ja und auch bei uns Frommen ist doch etwas anders als sonst: es gibt nur diesen einen Gottesdienst hier in Rothenfurth für die ganze Kirchgemeinde am Dom. Sie haben zwar keine Bierkästen mitgebracht… aber viele haben sich doch auf den Weg ins Muldental gemacht… um Gottesdienst zu feiern… es ist Christi Himmelfahrt.
Und das verbindet wohl Männertag und Christi Himmelfahrt als kleinsten gemeinsamen Nenner … der Weg nach draußen (auch wenn wir hier im Kirchgebäude sind) … der Mensch unter Gottes Himmel. Nur die Christen wissen warum: Jesus ist nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte 40 Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren. Die Jünger folgten Jesus und beobachteten seine Himmelfahrt. Und danach beteten Sie zu ihm im Himmel. Der Weg durch die freie Natur erinnert uns daran. Er erinnert uns daran, dass Jesus zum Vater, dem Schöpfer des Himmels und der Erde zurückgekehrt ist. Im Anblick des freien Himmels können wir uns daran erinnern. Unsere Seele erhebt sich zum Herrn. Daran erinnern wir mit diesem Feiertag.
Und trotzdem sind wir hier in der Kirche versammelt. Gottesdienst in der Kirche zu feiern ist ja eine gute Tradition. Die Kirche ist der Ort an dem wir zusammenkommen, Gottes Wort hören und das Sakrament empfangen. Sie ist der Ort, wo möglichst Viele gemeinsam zusammenkommen können. Sie ist ein Ort der Stille, an dem wir zur Ruhe kommen können und beten. Sie ist der Ort mit dem besonderen Instrument der Orgel, deren Klang uns auf die Feier einstimmt.
Es bleibt eine gewisse Spannung: der Weg… oder gar die freie Natur unter Gottes Himmel… so wie es die Apostel erlebt haben und geschossener Kirchenraum als Ort des Gebetes…. In dieser Spannung leben wir nicht erst heute… diese Spannung begleitet das Gottesvolk, seit es den Tempel und Gebäude gibt. Und in dieses Spannungsfeld führt uns der heutige Predigttext aus dem 1. Buch Könige. Schauen wir noch einmal in die beeindruckende Szene der Tempeleinweihung durch Salomo hinein.
Lesung 1. Könige 8, 22 – 24.26 – 28 (LUT)
Liebe Gemeinde,
Das Volk auf dem Zionsberg versammelt. Alle gespannt: wie sieht das neue Gotteshaus in Jerusalem aus? Ein großes Gebäude aus Stein… wie das alte Stiftszelt. Ein fester Ort für Gott… nicht mehr zum Mittragen. Ganz weit oben auf einem Berg. Dem Himmel nah.
Mit weit nach oben geöffneten Armen steht König Salomo als Priester vor dem Altar. Das ganze Volk schaut auf ihn. Mit seiner Haltung zeigt er, wo Gott ist: im Himmel. Mit seinen Worten bringt er die unvergleichliche Größe Gottes zum Ausdruck: „Kein Gott ist dir gleich! Denn du hältst, was du versprichst! Du bist ein treuer Gott! Du bist ein barmherziger Gott! Du lässt den nicht im Stich, der dir vertraut und nach deinem Wort handelt! Das können wir heute sehen, an diesem großen Tag, auf den wir lange gewartet haben, heute, wo wir dein Haus, den Tempel, einweihen! Du hast es mit deinem Mund versprochen und du hast es mit deiner Hand verwirklicht!“ Doch dann ist es als würde Salomo sich selber ins Wort fallen: „Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ … warum macht er das? Warum zieht er ausgerechnet in dieser Feierstunde den Sinn dieses kunstvollen und eindrücklichen Bauwerkes in Zweifel? … Der alte Salomonische Tempel… der Urtempel, der auf Gottes Weisung hin gebaut wurde… der Tempel als ein Sinnbild für die Einheit und Größe Israels … Was mögen die versammelten Israeliten gedacht und gefühlt haben?
Für mich wirkt dieses Wort von Salomo wie ein Vorbehalt… wie eine Art Warnung: vergiss nicht… hier ist zwar Gottes Wohnstatt… hier ist der Ort der Verbindung zwischen Himmel und Erde… hier ist der Ort der Opfer … aber Gott bleibt nicht darauf beschränkt. Gott ist allumfassend, allmächtig. Erinnere Dich, dass Dich, Volk Israel, Gott aus Ägypten geführt hat. Er bleibt auch der Gott der Freiheit, der sich nicht einsperren lässt in Wände. Und das heißt: jeder Versuch Gottes Reich oder Gottes Herrlichkeit auf der Erde darzustellen scheitert. Für mich heißt das:
- Gottes Reich schafft Gott allein, nicht der Mensch. Oder wie es im Vaterunser heißt: Dein ist das Reich und Kraft und die Herrlichkeit… nicht die des Menschen
- Dort, wo menschliche Macht überheblich daherkommt, durch Selbstbezogenheit, Luxusbauten, durch Gigantomanie stimmt was nicht, der Vorbehalt Gottes geht verloren… der Mensch wird maßlos.
So, ich bin Pfarrer des Freiberger Doms, ein großes und herrliches Bauwerk. Wir sind die Kirchgemeinde am Dom Freiberg. Der Dom muss dringend saniert werden… dass uns am Ende nicht die Gewölberippen und die Steine auf den Kopf fallen. …
wir sind heute hier in der Rothenfurther Kirche versammelt…. an der auch beharrlich immer wieder herumgewerkelt wurde.
Was machen wir jetzt damit? Braucht unsere Gemeinde diese Gebäude? Braucht unsere Gemeinde den Dom, braucht Freiberg den Dom? Braucht es diesen Gottesdienstort hier in Rothenfurth? Reicht es nicht, dass man irgendwo zusammenkommt in Jesu Namen: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen. Reicht es nicht, wenn wir uns auf einen Gottesdienstort in unserer Gemeinde beschränken?
Ich glaube so einfach ist es nicht: Denn was wären wir ohne unsere Kirchen? Was wäre unsere Gemeinde, in der wir uns heute versammeln, ohne diese Kirche? Die Kirchengebäude sind mehr als praktische Räume für das Gemeindeleben. Kirchen verweisen in den Städten und Dörfern auf Gott. In den Kirchen kommt Gemeinde zusammen. In den Kirchen wird mit Gott gefeiert. Kirchen sind besondere Orte der Gottesbegegnung – in Wort und Sakrament. Durch ihre kunstvolle bauliche Gestaltung und dadurch, dass sie Orte des Gebetes sind, haben sie eine besondere Atmosphäre, eine Ausstrahlung, die die Seelen der Menschen berührt.
Ich bin so ein Typ: ich brauche für die Gottesbegegnung ein Gotteshaus… denn da ist Ruhe, Kühle, da verweisen Bilder und die Architektur auf Gott. In einer Kirche gibt es einfach besondere Musik, die an den Kirchwänden widerhallt. Wir haben die Orgeln. Und was mir ganz heilig ist: hier vorne der Altar für das Sakrament. Der Erinnerungsstein an das Opfer, dass Jesus wie ein Lamm für die Menschen gestorben ist.
Auch die Pracht des Jerusalemer Tempels ist nichts anderes als Gotteslob, auch er ein Ort der vielfältigen Gebete. Salomo hat ja gerade den Tempel gebaut und vollendet. Er will ihn ja durch das Gebet einweihen. Er will das Gebäude hier wohl nicht grundsätzlich in Frage stellen. Aber es bleibt ein Vorbehalt, eine Mahnung… das Gebäude, der Tempel allein ist es nicht. Und vor allem ist es Gott, der sich den Menschen zuwendet. Gott ist es zu verdanken, dass dieses Gebäude hier so stehen kann.
Ich glaube die Frage „Gebäude“ oder „Nicht-Gebäude“ für den Gottesdienst ist eine falsche Alternative. Natürlich kann ich in der freien Natur bei einer Wanderung, bei einem Aufbruch, auf einem herrlichen Gipfel Gottes Gegenwart spüren… natürlich ist Jesus da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind… auch zuhause oder sonst wo… aber ein Gotteshaus steht für die Gemeinschaft, es schafft Identität – auch über uns Christen hinaus für einen Ort. Er ist ein besonderer Ort mit einem Altar, ein Schutz vor Lärm, besonderen Gerüchen, Kühle, ein Ort der Musik… und die Kirchtürme zeigen nach Oben zu Gott… sie sind und bleiben Mahnung an die Menschen… vergesst bei eurem unheiligen Treiben nicht Gott…
Und damit sind wir beim Eigentlichen: Gott wendet sich den Menschen in Liebe zu. Ich darf mich angenommen und gehört fühlen… in so einem großen Gebäude, aber eben auch draußen in meinem Alltag.
HERR, Gott Israels, es ist kein Gott, weder droben im Himmel noch unten auf der Erden, dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen … und … Wende dich aber zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörest das Lob und Gebet, das dein Knecht heute vor dir tut.
Wir haben uns auf den Weg nach Rothenfurth in diese Kirche gemacht. Und vielleicht ist genau das richtig: da ist der Weg, der Aufbruch, so wie es die Israeliten mit Ihrer Pilgerschaft nach Jerusalem auch gemacht haben… aus allen Ecken des Landes kommend… aber versammelt an diesen besonderen, neuen Ort auf dem Zion… vor dem Altar Gottes.
Es ist nicht nur eine Sauftour unter freiem Himmel aber es ist auch nicht nur die triumphale Einweihung eines Palastes, eines Luxusgebäudes oder gigantischen Hochhauses… Zeichen des Geldes oder der weltlichen Macht. Es ist ein Ort der Liebe und des Gebets, ein Ort des Wortes und des Sakraments.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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