Predigt zum Kirchweihfest am 5. November 2023

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Predigt zum Kirchweihfest am 5. November 2023

20.11.2023

zu Markus 4, 30 - 32; gehalten von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand, in der Kirche von Kleinwaltersdorf

Gnade si mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

ein herrlicher Sommertag. Es ist sonnig, richtig schön warm. Sie wollen eine Rast einlegen. Da steht ein majestätischer Laubbaum. Er lädt dazu ein, dass sie sich darunterlegen. Sie suchen sich im Halbschatten der Blätter einen schönes Plätzchen und strecken sich hin… Sie liegen… der Wind weht sanft durch das Laub, streicht angenehm kühlend über Ihr Gesicht. Sie sind ganz da… nehmen wahr. Da sind die Insekten, Bienen, Fliegen, Ameisen, Schmetterlinge, es rauscht, die Vögel fliegen zum Baum hin und wieder weg… vielleicht bauen sie ein Nest oder suchen Futter für die Jungen. Sie singen, da ist aber auch Konkurrenz. Da sind Buchfinken, Kleiber, Tauben oder Krähen – Vögel mit herrlichem Gefieder. Sie beobachten neugierig das Treiben. Sie streichen mit den Händen über den Boden. Sie spüren die Erde, das spärliche Gras, die Samen des Baums vom letzten Jahr. Sie spielen mit dem Korn in den Fingern. Aus so einem winzigen Teil wird so ein riesiger Baum…

Was für ein herrliches Bild! Was für eine wunderbare Naturerfahrung! So eine Szene nun nimmt Jesus als Gleichnis für das Reich Gottes. Ein überwältigendes Bild, unfassbar und doch so herrlich-vertraut aus unserem Alltag. Manchmal vielleicht erlebt… und doch würde ich mich vielleicht öfter unter so einen Baum legen… ein Bild der Sehnsucht. Nah und doch irgendwie weit weg von unseren Arbeitsplätzen, den kargen Schreibtischen in Büros oder von der Orgelbank des Kantors.

Ich stelle mir vor, wie Jesus selber unter so einem Arakbaum rastete, dieses Treiben beobachtete… wie er selber überwältigt war von diesem Augenblick… vertraut und doch auch weit weg von den harten Alltagserfahrungen der Menschen… die harten Arbeiten auf den Feldern, beim Fischen im See Genezareth, die Entbehrungen von vielen Leuten, die Auseinandersetzungen beim Handeln, ständige Streitereien um die politischen und religiösen Machtverhältnisse… Und hier nun dieser Jesus, der sich dreist ans Seeufer stellt und die Menschen radikal an die Herrlichkeit von Gottes Schöpfung erinnert. Er zeigt ihnen auf: ihr könnt einen Eindruck schon jetzt vom Reich Gottes haben. Es ist zwar noch nicht da. Das Samenkorn des Baums braucht lange Zeit, bis es groß wird… aber wenn es da ist, dann habt ihr einen Eindruck vom Paradies – auch schon hier auf der Welt.

Ja Jesus steht vor der schwierigen Aufgabe, den Menschen, uns Menschen, etwas von Gott, Gottes Reich zu erzählen, was eigentlich gar nicht in Worte zu fassen ist… was wir rational mit unserem Verstand gar nicht nachvollziehen können… er braucht das Gleichnis, um uns Unaussprechliches nahe zu bringen… eine Ahnung von dem, wie es ganz bei Gott ist… und ich bin völlig begeistert, weil Jesus hier eine ästhetische Erfahrung, eine Naturerfahrung als Gleichnis wählt. In anderen Worten: etwas vom Reich Gottes können wir hier schon wahrnehmen. Jesus sagt über den Sinn der Gleichnisse kurz zuvor zu seinen Jüngern: den Leuten widerfährt es alles in Gleichnissen, auf dass sie mit sehenden Augen sehen und mit hörenden Ohren hören…

Und doch bleibt es aber ein Gleichnis… um es zu verstehen, muss es aufgelöst, übertragen werden. Wir sollen nicht bei der reinen Naturerfahrung stehenbleiben, wie sie ja alle Menschen haben können, sondern das Gleichnis auflösen – so Jesus. Anders gesagt: wir Christen erleben durch unsere Naturerfahrung, wenn wir z. B. unter einem schattigen Baum rasten, viel mehr als nur einen schönen Eindruck von einer Szene. Für uns öffnet sich dahinter nichts weniger als ein Blick in den Himmel. Diesen Himmelsblick will ich Ihnen wenigstens kurz in drei Fenstern öffnen… kurz und fragmentarisch… sonst würde man das Reich Gottes wohl zerreden.

Das erste Fenster: Als erstes drängt sich das Bild der Vögel auf. Vögel sind doch schöne Tiere, sie singen in den herrlichsten Variationen, tragen ganz unterschiedliches Gefieder, manchmal ganz schlicht, oft herrlich bunt. Es macht mir große Laune, ihr Treiben in den Bäumen zu beobachten (in unserer Wohnung in Pirna im zweiten Stock konnten wir das sehr gut bei den Bäumen vor unserem Haus). Der Arakbaum ist ein Schutzraum für diese bunte Artenvielfalt. Sie steht für uns Menschen. Auch wir sind so bunt und vielfältig wie die Vögel in so einem Baum. Da gibt es distanzierte Menschen, Leute, die Nähe suchen, welche mit Familiensinn, eigensinnige, Menschen voller Liebe, aber auch voller Hass, Aggression und Wut, Menschen mit Angst. Engagierte, faule, besonnene, Leute mit Gerechtigkeitssinn, kluge, dumme, elegante, hässliche, schöne, musikalische und unmusikalische. Der Baum ist offen. Seine Zweige laden alle ein. Sie bieten allen Schutz, wenn es heiß ist, wenn es kühl ist, wenn es Tag ist und wenn es Nacht ist. Der Baum ist ein Schutz. Der Schatten und die Zweige des Baumes sind offen. Die Vögel können kommen und gehen. Da gibt es keinen Zwang. Im Reich Gottes gibt es keinen Zwang.

Das zweite Fenster: Das Reich Gottes wächst. Und dieses Reich Gottes hängt nicht an Wachstumskriterien, die wir Menschen aufstellen. Gott selber bestimmt diese Kriterien. Sein Reich wächst. Wann und wo, wie oder an welchen Orten dieser Welt dieses Reich seine Zweige ausstreckt, weiß Gott allein. Und: Wir können gelassen sein. Das Reich Gottes ist tatsächlich ganz in der Hand Gottes. Gott lässt es wachsen. Ich stelle mir vor, wie Jesus selbst unter dem Baum lag… auch er konnte ja als Mensch nicht den Wachstum eines Baums unmittelbar erfahren, das ist ja ein jahrelanger Prozess. Ich vermute, er war schlicht beeindruckt davon, dass so ein kleines Körnchen in der Hand am Ende einen so riesigen Baum hervorbringen kann. Er selber hat dieses Wachstum auf der Welt ja gar nicht miterleben können, dafür war sein Leben viel zu kurz.

Aber wir können in der Kirche etwas von diesem Wachstum jeden Tag erleben und sehen: hier die herrliche Kirche in Kleinwaltersdorf, an deren Kirchweih wir heute denken. Wir haben Gemeindekreise, wo wir uns an Jesus erinnern und Gemeinschaft erleben. Das ist für mich ganz persönlich ein Blick in Gottes Reich. Auf der anderen Seite wissen wir, dass wir weniger werden. Vieles ist nicht mehr so, wie Sie es vielleicht noch in Ihrer Kindheit und Jugend erlebt haben. Wir müssen Gebäude abtreten, die Mitarbeiter mit anderen Gemeinden teilen… erst einmal Sorge und Angst um die Zukunft… aber ich bin fest überzeugt, dass dies völlig unberechtigt ist. Jesus hat uns ein wachsendes Reich Gottes verheißen… da brauchen wir uns keine Sorgen machen… es geht weiter… vielleicht anders als  wir es gewohnt waren… und sicherlich auch ganz anders als unsere üblichen menschlichen knallharten Wachstumskriterien vielleicht oberflächlich aussehen… Ich habe da überhaupt keine Angst: Sie wissen, ich bin viel in der Welt herumgekommen, ich habe viele evangelische Gemeinden kennengelernt, in Brasilien, in Italien, in Taiwan, in Schweden, in England, in meiner Heimat Bayern, in Hessen und im Rheinland… und natürlich in meinen verschiedenen Gemeinden als Pfarrer. Und mein Eindruck ist: Jesus hatte recht… das Reich Gottes wächst. Und dieser Baum ist gewaltig, vielseitig, bunt – einfach nur herrlich wahrzunehmen! Wir hier in Kleinwaltersdorf sind ein Teil dieser großen evangelischen Gemeinschaft.

Drittes Fenster: Mir gefällt auch dieses Bild vom Arakbaum so gut, weil es ein Naturbild ist. Sie wissen durch den Klimawandel, wie empfindlich Pflanzen manchmal sind. Gerade Bäume leiden oftmals stark an den veränderten Temperaturen. Und das heißt für uns: Die Schöpfung Gottes muss bewahrt werden. Wir müssen achtsam mit unserer Umwelt umgehen. Übertragen auf Jesu Bild hieße das: Das Reich Gottes wächst zwar von selber, aber wir müssen den Raum schaffen, dass es sich weiter ausbreitet… ich nehme mit großem Eindruck wahr, wie engagiert Sie hier in der Gemeinde am Bau der Kirche und in den Gemeindekreisen, in den Ausschüssen mitwirken. Bleiben sie dran und vor allem strahlen Sie etwas von der Schönheit von Jesu Gleichnis aus: laden Sie die Menschen mit offenen Herzen ein mitzumachen, mitzubauen… alle sind willkommen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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