Predigt zum Sonntag Rogate, 25. Mai 2025, im Rahmen eines MDR-Rundfunkgottesdienstes

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Predigt zum Sonntag Rogate, 25. Mai 2025, im Rahmen eines MDR-Rundfunkgottesdienstes

25.05.2025

über Johannes 16,23b–28.33 (BB); gehalten im Freiberger Dom St. Marien von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms

Der Predigttext Johannes 16,23b–28.33 (BB) wurde als Evangelium verlesen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder!

Bittet – und ihr werdet es bekommen. Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben! Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen! – verspricht Jesus den Menschen. Jesus will Mut machen. Er fügt hinzu: Aber fasst Mut, ich habe die Welt besiegt!

Eine klare Aussage mit einer einfachen Botschaft. Ich frage mich aber: ist das so einfach? Ich sehe da eine Spannung: es gibt viele Menschen, die Kraft aus dem Gebet schöpfen – auch mir geht das so. Aber oft mache ich auch die andere Erfahrung: Wenn ich bete und bitte, dann bekomme ich es doch nicht immer, oder nicht immer gleich oder nicht immer mundgerecht. Wenn ich bete und bitte, dann habe ich nicht jedes Mal sofort Mut, oder freue mich. Die Welt dreht sich einfach weiter – mit all ihren Mühen und trotz meines Gebets. Wie also soll ich Jesus hier verstehen?

Was Johannes in der Bibel beschreibt, stelle ich mir so vor: Ein lauer mediterraner Frühlingsabend, vielleicht in Ephesus. Die Dämmerung bricht herein. Die Leute ziehen sich aus den belebten Straßen zurück. In den Häusern gehen die Lichter an… Eine Abendrunde. Ein Essen unter vertrauten Gefährten, Freunden. Richtig gute Stimmung. Fröhlichkeit. Ein Abend mit besonderen Gesten, ein Abend mit besonderen Worten…. Freundschafts- und Sympathiebekundungen prägen die Runde. Aber da mischt sich noch ein anderes Gefühl mit hinein: Enttäuschung, Trauer. Diese Leute haben von den Geschichten um Jesus gehört… seiner Lehre… voll von Wundern. Die Wirklichkeit ist aber doch ganz anders. Diskussionen in der Gemeinde um die richtige Zukunft dieser noch jungen Bewegung. Anfeindungen von außen, weil sie Jesus so große Bedeutung zukommen lassen… Wie großartig wäre es, wenn Jesus hier wäre. Wie großartig wäre es, wenn Jesus auch an diesem Abend Wunder bewirken, die negativen Schwingungen einfach wegwischen, oder gar das fade Wasser in Wein verwandeln würde. Wie kann diese Kraft von Jesus dennoch da sein? Johannes knüpft an die Glaubenspraxis der Leute an:

- Ihr kennt das Gebet… ihr betet ja schon zu Gott… im Gottesdienst... oder als Stoßgebet… oder ganz für euch.

- Jesus und Gottvater sind miteinander verbunden… Jesus sagt das selber.

- Damit betet ihr zugleich zu Jesus.

- Und so tretet ihr in eine Beziehung zu Gott und Jesus. In den eigenen Worten von Johannes: „Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben!“ „Denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich liebt – und weil ihr glaubt, dass ich von Gott gekommen bin.“

Ja, Jesu Wunder erleben die Leute damals im Alltag nicht mehr. Er ist stattdessen von Widersprüchen geprägt: Trauer darüber, dass die Welt noch nicht vollendet ist – obwohl sie an Jesus glauben. Da sind Spaltungen zu spüren. Auch Anfeindungen. Gleichzeitig erleben die Menschen auch die Freude der Gemeinschaft. Jesus in der Mitte.

Das Gebet überwindet genau diese Spannung. Das Gebet lenkt das Herz zu Gott. Das Gebet erinnert an diese einzigartige Welt, die Jesus so ausführlich mit Wundern und seiner Lehre bezeugt hat. Wer betet, pflegt seine Beziehung zu Gott. Und Gott erwidert diese Beziehung langfristig.

„Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“ – so sagt es Johannes.

In meiner Arbeit der allgemeinen Sozialen Beratung der Diakonie Freiberg bin ich immer wieder beeindruckt, wie Menschen in psychischen Krisen durch ein gutes Wort, ein Angebot oder einen Impuls Stärkung finden. Dabei können sie ihre Angst überwinden oder Sorgen und Nöte abgeben – obwohl Sie zuvor nichts mit Gott und Kirche zu tun haben. In besonderen Fällen finden sie zu Gott und richten ihr Leben neu aus. Sie suchen nicht nur neue Strukturen, sondern wollen dann auch etwas von dem Erhaltenen weitergeben.

Wahrscheinlich gibt es da Parallelen zu mir. Nicht, dass ich krank war oder bin, aber die Dankbarkeit für mein gutes Leben lässt mich manchmal bei Klienten über mich hinauswachsen, im Einsatz für Klienten ... manchmal reicht es einfach nur da zu sein und zuzuhören oder auch ein stilles Gebet für jemanden zu sprechen.

Johannes sagt es so: „Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“

Erst kürzlich war ich in Polen im Urlaub. Wir sind auf der Autobahn in einen Stau gekommen. Ich fühlte mich gestresst, ohnmächtig. Hatte Sorge, dass ein Unfall passiert ist und Menschen zu Schaden gekommen sind. Viele Laster standen da. Und ich habe mir vorgestellt, wie es einem LKW-Fahrer gehen muss, der das jeden Tag erlebt. Einerseits ein faszinierender Beruf: was für ein Gefühl so einen 40tonner zu steuern. Auf der anderen Seite aber auch immer wieder: Aufbrüche von zuhause, ganz in der Frühe der Dämmerung oder im Dunklen. Weg vom eigenen Haus, dem eigenen Garten… Die Familie bleibt zurück. Ein Wiedersehen vielleicht am Wochenende. Bis dahin täglich der viele Verkehr und Staus. Aggressive Autofahrer. Überfüllte Rastplätze. Stinkende Toiletten. Und immer das Bangen. Wird alles gut gehen? Passiert auch nichts auf den schier unendlichen Kilometern durch Europa?

Johannes bietet diese Brücke des Gebets an… die Verbindung zur Familie… die Verbindung zur Heimat… Mut in schwierigen Verkehrslagen… Und der Blick weg aus der Einsamkeit des Führerhauses… der Blick weg von den manchmal doch schier unerträglichen Situationen an Rastplätzen und im Verkehr… hin zu den wunderbaren Seiten der Welt von der Jesus Zeugnis gegeben hat.

Johannes schreibt: „Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“

Ich bin Gemeindepädagogin. Gebet durchzieht mein ganzes Leben. So lange ich zurückdenken kann, gibt es in meinem Leben Gebet. Erst haben meine Eltern und Großeltern mit mir und meinen Geschwistern gebetet. Später haben uns die Eltern in der täglichen Abendandacht zum Beten mit eigenen Worten ermutigt. Und heute gehört das Beten zu meinem Leben, wie Essen und Trinken.

Meine Erfahrungen dabei sind:

Ganz oft wurde mir das Gebet zur Hilfe in Angst. Dabei hat mich das Sprechen zu Gott beruhigt. In Todesangst brachte mir der Schrei des einzigen Wortes „Gott“ sofortige Hilfe und ich wurde, zwar schwer verletzt, aber doch gerettet. Die Bitte um Heilung brachte nicht sofort Wirkung, sie geht seit Jahren. Aber die Hilfe beim Umgang mit dem Nichtheilsein findet immer wieder neu statt und ist für mich so Antwort Gottes auf meine Bitten und die der für mich Bittenden.

Auch habe ich erlebt, dass Gott in Bedrängnis auf mein Bitten hin mit ganz klar zu hörenden Worten geantwortet hat und seine Antwort mit starker Körperreaktion bekräftigt hat. So hat Er mich neu ausgerichtet, gestärkt und ermutigt auf einen nicht ganz einfachen Weg geschickt, der aber im Rückblick großartig war!

Mit Gott lebendig verbunden sein heißt für mich, nicht nur ab und zu ein Bisschen, sondern immer. Und so wie ich das übe, übe ich auch, dass mein ganzes Leben Gebet ist: Bitten, Danken, Loben, Klagen, Hören, Fragen…  Denn in Gottes Liebe zu bleiben bedeutet für mich nichts anderes als das.

„Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“ – schreibt Johannes.

„Bittet – und ihr werdet es bekommen. Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben! Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“ – verspricht Jesus den Menschen. Jesus will Mut machen. Er fügt hinzu: Aber fasst Mut, ich habe die Welt besiegt!

Eine klare Aussage. Eine einfache Botschaft. Erschließen können wir sie uns in einer Beziehung – der Beziehung zu Anderen und der Beziehung zu Gott.

Bitten scheint mir auch eine Haltung zu sein. Denn wer bittet, ordnet sich dem anderen unter, lässt den anderen zum Zug kommen. Das steht im Kontrast zu dem, wie ich das gesellschaftliche Miteinander derzeit oft wahrnehme. Da stehen Egozentrik und Selbstsucht, Aggression und Kraftgebärden, Machtansprüche und Kriegstreiberei im Vordergrund.

Aber da sind auch die anderen Stimmen. Da nehme ich auch die Sehnsucht nach dieser anderen Haltung wahr: Bitten statt anweisen, lieben statt hassen, Gemeinsames tun statt eigennützig handeln, musizieren statt brüllen.

„Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen!“

Amen.

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