15.03.2025
von Prädikantin Katrin Hutzschenreuter
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Stadt Erfurt gibt es die Predigerkirche. Bei einem Bombenangriff gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Fenster kaputt gegangen. Es gab ein Lutherfenster und eines, das Johannes den Täufer zeigte. Es gab Fenster mit Mustern, fast so wie auf einem Teppich, und es gab Fenster, die Motive des Weihnachts- und Osterfestes zeigten. Nun waren sie alle zerstört. Unzählige Glassplitter lagen auf dem Boden. Nicht mehr zu retten, so schien es. Eigentlich konnte man das alles nur noch zusammenkehren und in den Müll werfe.
Aber so war es nicht. Einer war da, der hat die Bruchstücke aufgesammelt. Manches war auf den Fragmenten noch gut zu erkennen: eine Feder, ein Eichenblatt, eine Hand. Anderes bleibt rätselhaft und weckt die Phantasie: hier könnte der Rest eines Haarschopfes zu sehen sein, dies war vielleicht ein Stück vom Himmel. Heil machen lassen sich die Fenster nicht mehr, man könnte sie höchstens rekonstruieren.
Doch der Restaurator und Glasmaler Hans Hajna hatte eine andere Idee. Wo andere wertlose Bruchstücke wahrnahmen, sah er etwas Neues, was entstehen könnte.
Und so bettete er die Fragmente in einen neuen Zusammenhang ein. Es entstehen nun Fenster, die vollkommen anders sind als die ursprünglichen. Im Namen „Trümmerfenster“ klingt an, was geschehen ist. Ja, man sieht den neuen Fenstern an, dass ihre einzelnen Teile Gewalt und Zerstörung erfahren haben. Und doch sind aus den Scherben Kunstwerke geworden, die einen zum Staunen bringen.
Ich denke an mein eigenes Leben, in dem manches zu Bruch gegangen ist. Manche Pläne lassen sich nicht umsetzen, manche Träume zerplatzen. Das, was ich von Gott geglaubt habe, zerbricht. Mein Bild vom Allmächtigen bekommt Risse. Wie schnell bin ich versucht, das zu verwerfen, was in Scherben vor mir liegt. So leicht halte ich es für wertlos, nur noch für den Müll geeignet. Vielleicht braucht es jemanden, der das erkennt und behutsam hilft, die Fragmente neu zu ordnen, sie anders zusammenzustellen oder in einem neuen Licht zu sehen.
Zerbrochenes wird nie wieder so sein wie vorher. Aber die Bruchstücke des Lebens und des Glaubens machen das Ganze nicht wertlos. Es ist möglich, dass sich ein neuer Sinn ergibt, dass Heilung geschieht.
Dann leuchtet neu auf, was fast schon verworfen war, so wie die Trümmerfenster.
Alles, was war, ist in diesem Bild enthalten: Tränen, Trümmer, Zweifel und Verzagen, Schönheit und Schmerz. Und wer es sieht, fühlt sich auf eine Weise verstanden und staunt.
Gebet
Lasst uns beten:
für alle, die traurig sind. Für alles in uns, was verabschiedet werden muss. Für alle, die gerade um ihr Leben fürchten, die schreckliche Angst haben in kriegerischer Zeit.
Komm in unsere Nacht, in unsere Angst und Ohnmacht. Komm mit deinem Licht und deiner Wärme. Dass wir die Hoffnung nicht verlieren. Dass wir das Leben feiern, indem wir es herbeisehnen und liebevoll schützen. Komm in unsre Nacht mit deinem Licht.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Ich wünsche dir den Mut, fehlbar zu sein, unvollkommen und makelhaft.
Mit verletzlicher Haut, anrührbarem Herzen, Augen, die weinen können, und einer Seele, die Schaden nehmen kann.
Ich wünsche dir den Mut, ein menschlicher Mensch zu sein.
So segne dich unser guter Gott.
Herzliche Grüße
Katrin Hutzschenreuter
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